Was ist guter Sex?

Sexualitaet

Mit der Frage „Was ist guter Sex“ wurden wir morgens um 9 Uhr in der Weiterbildung zur systemischen Paartherapeutin begrüßt. Eine spannende Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist und die zunächst für betretenes Schweigen in der Gruppe sorgte. Zögerlich näherten wir uns dann einer Antwort, richtig befriedigend war sie nicht.

Mir persönlich kam diese Frage sehr entgegen, denn ich bereite gerade meinen nächsten Onlinekongress vor 

und er hat das Thema Sexualität. Gemeinsam mit einer Kollegin Elinor Petzold und vielen Expertinnen und Experten werden wir diese und noch viele weitere Fragen stellen. Wir haben dem Kongress den Untertitel „Wege durch das Labyrinth“ gegeben, weil wir finden, dass wir in unserer Lust oft so verlorenen sind wie in einem Labyrinth. Wir stellen euch mögliche Wege vor, ihr wählt, welcher davon für euch passt!

Wenn ihr Lust habt dabei zu sein, meldet euch hier an.

 

Wie immer, wenn mich Themen nicht loslassen, schreibe ich einen Blogartikel darüber. Das ist meine Art der persönlichen Weiterbildung, an der ich euch immer wieder gerne teilhaben lasse. Eure Kommentare sind übrigens herzlich Willkommen. Also, los geht’s!

Woher wissen wir, was guter Sex ist?

Wir haben eine Vorstellung davon, wie guter Sex sein sollte. Diese Vorstellung entsteht durch Bilder, Filme und Bücher und nicht zuletzt durch persönliche Erfahrungen. Oftmals ist aber genau diese Vorstellung wie eine Karotte vor der vor der Nase des Esels. Wir sehen diese Karotte, vielleicht riechen wir sie sogar, aber wir erreichen sie nie. Im Gegenteil sie hält uns sogar davon ab, das zu genießen was wir haben. In der Weiterbildungsgruppe haben wir mal die Kriterien gesammelt, die guten Sex ausmachen könnten 😉

  • Guter Sex muss ekstatisch sein
  • Beide müssen zum Orgasmus kommen
  • Es sollte keine Unterbrechungen oder störende Gedanken geben
  • Alle Wünschen sollten erfüllt sein
  • Noch ein bisschen Überraschendes sollte hinzu kommen
  • Niemand lacht oder ist unkonzentriert
  • Nichts ist peinlich, sondern beide zeigen ihren Körper gerne so wie er ist
  • Und noch einiges mehr…

Ziemlich hohe Ansprüche, die zeigen, dass wir alle wahrscheinlich wenig guten Sex im Sinne der Karotte vor der Nase haben. Viel zu fixiert auf diesen vermeintlich guten Sex verpassen wir die schönen Berührungen und Begegnungen, die zwischen erwachsenen Menschen möglich sind.

Wie war ich? 

Woher wissen wir, ob der Sex, den wir haben gut oder schlecht war? Wie bei jeder Bewertungsfrage ist es wichtig zu wissen, wer eigentlich was bewertet. Entscheiden wir selbst, wie „es“ war oder stellen wir die peinliche Frage „Wie war ich?“ Und was ist, wenn die ehrliche Antwort auf diese Frage „schlecht“ lautet, es aber für uns selbst ganz gut war? War es dann guter oder schlechter Sex? Sind wir auch für die Lust des anderen verantwortlich? Oder liegt es am anderen zu sagen, was er oder sie wirklich will? Gedankenlesen klappt hier genauso wenig wie sonst im Leben.

Wir werden immer unsere eigenen Vorstellungen mit hinein werfen in die vermeintlichen Gedanken des anderen. Wir sind also darauf angewiesen, dass der andere mutig genug ist, zu sagen was er will und dass wir selbst genauso mutig sind. Sonst ist es wieder die Karotte „Guter Sex“, die uns glauben lässt, wir müssten etwas tun oder lassen, damit es für den anderen lustvoll ist. Wieder verpassen wir dabei das, was gerade wirklich passiert. 

Wie lernen wir Sex? 

Wir sind von Grund auf sexuelle Menschen. Unsere Ursache ist der Sex, den unsere Eltern damals hatten, als wir gezeugt wurden. Aber wie lernen wir im Laufe unseres Lebens mit der eigenen sexuellen Energie umzugehen?

Als ich in der Pubertät war, Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, hatten wir vor allem die „Bravo“ und Dr. Sommer, um unsere Fragen rund um die Sexualität zu stellen. Kaum jemand aus unserer Generation hat mit den eigenen Eltern darüber gesprochen. An irgendeinen relevanten Unterricht dazu in der Schule kann ich mich nicht erinnern.

Wir waren ziemlich auf uns allein gestellt. Unterstützung von der Gesellschaft oder von einzelnen Erwachsenen gab es nicht, ganz im Gegenteil, sie hatten es selbst nicht gelernt. Stattdessen wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass unsere sexuelle Lust unangemessen oder sogar unanständig sei.

Ein wunderbarer Nährboden für Verletzungen und Missverständnisse!

Verletzungen verhindern guten Sex 

Ekstase und sexuelle Lust ist machtvoll. Sie wird sich immer einen Weg in die Welt suchen. Wenn wir versuchen sie zu unterdrücken, birgt sie ganz besondere Gefahren. Unterdrückte Lust kann gefährlich sein. Gerade weil wir sie verdrängen, kommt sie zur unpassenden Zeit oder wir vergreifen uns an Schwächeren – mit verheerenden Folgen für alle Beteiligten.

Dann halten wir unsere Lust nicht mehr aus, fühlen uns schuldig oder schämen uns für das, was wir getan haben. So ist guter Sex natürlich unmöglich. Stattdessen versuchen wir irgendwie zu funktionieren, tun so als ob oder verfallen in „Duldungsstarre“.

Im schlimmsten Fall ziehen wir uns immer wieder neue Verletzungen zu. Dann ist es Zeit für eine Pause.

Mach mal Pause 

Paare, die zu mir wegen Probleme mit der Sexualität in die Beratung kommen, kommen meist, weil sie schon sehr lange gar keinen Sex mehr hatten und einer von beiden darunter leidet. Dass jemand wirklich gar keine Lust hat, ist selten. Meistens ist die Lust nur begraben und überlagert von falschen Vorstellungen und schlechten Erlebnissen oder sogar Traumata. Auch die kollektiven Verletzungen aus der Vergangenheit spielen eine Rolle.

Häufig hat der lustloserer Partner keine Lust auf die Art von Sex, auf die sich das Paar im Laufe ihrer Beziehung runter reduziert hat. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich das Paar geeinigt hat. Beide stecken fest in einem immer gleichen Tanz. Sie sind emotional viel zu sehr auf den anderen ausgerichtet und ersticken sich gegenseitig. Es wird Zeit, etwas zu verändern. 

Wie bei der Auszeit von der Beziehung hilft Paaren auch die Auszeit von der gemeinsamen Sexualität. Eine Auszeit bedeutet nicht, dass es für immer Aus ist, sondern es ist die bewusste Entscheidung für eine bestimmte Zeit aus dem Teufelskreis auszubrechen. Keiner beginnt mit dem Sex, keiner fühlt sich bedrängt. Das Thema hat eine Zeitlang Pause. Das kann sehr befreiend sein und den Weg für einen Neustart ebnen.

Besonders berührend hat das Lea Hamann in diesem Blogartikel beschrieben.

Neustart Singleversion 

Ein Neustart nach der Pause kann auch erstmal ganz alleine beginnen. Sogar innerhalb der Pause, ist es sinnvoll sich mit der eigenen Lust ganz ohne den Partner zu beschäftigen. Kontakt herstellen zu der eigenen Sexualität und lernen uns selbst zu befriedigen im wahrsten Sinne des Wortes.

Alles was dabei hilft, dürfen wir auch nutzen, Hauptsache wir sind wach, bewusst und mit allen Sinnen dabei. Und auch wenn da etwas ist, was uns z.B. am eigenen Körper nicht gefällt, können wir schöne Erlebnisse mit ihm haben. Unser Körper ist unser Freund. Er zeigt uns, wo es langgeht und er zeigt uns, ob er verletzt wurde.

Oft vermeiden wir aus Angst und Scham genau hinzusehen. Aber Verletzungen können heilen und Narben können uns erinnern. Wenn wir mutig sind, neugierig auf unseren Körper zu sein und Lust haben, auf ihn einzugehen, dann verliert die Karotte vor der Nase ihre Anziehungskraft. 

Doch noch guter Sex 

Jetzt wo wir wissen, was wir selbst brauchen um guten Sex zu erleben, können wir uns auch wieder dem Anderen zuwenden. Die Sexualität ist wie ein Garten. Da ist zunächst der eigene Garten, der gepflegt werden will und in dem vieles gedeihen kann. Für diesen eigenen Garten sind wir selbst zuständig. Wenn wir wollen und mutig sind, können wir dem Partner den Garten zeigen, aber wir müssen es nicht.

Guter SexUnd dann gibt es die gemeinsame Sexualität, das ist der Garten, für den wir beide gemeinsam zuständig sind. Wir pflegen ihn auch gemeinsam. Aber jeder entscheidet für sich, was er aus dem eigenen Garten mit in den gemeinsamen Garten einbringen möchte.

Wenn Paare nach langer Zeit sehen, wie sehr sie diesen gemeinsamen Garten vernachlässigt haben, ist das immer ein Moment, der Veränderung möglich macht.

Jetzt wollen sie sich meistens wieder darum kümmern und es ist berührend zu sehen, was alles wächst, wenn der Garten endlich wieder gegossen wird!

Wie das mit dem Gießen aussehen kann, werde ich in den Gesprächen mit den Expertinnen und Experten des Sexualitätskongresses besprechen. Traut euch und kommt mit. Meldet euch hier gratis an.