Ghosting in Beziehungen – was hilft gegen Kontaktabbruch

„Und dann habe ich den ganzen Tag in der Kantine seiner Firma gesessen und gehofft, dass er irgendwann auftaucht,“ erzählt mir Eva* in der Beratung. Sie gehört zu den Menschen, die selbst erfahren mussten, was Ghosting anrichten kann. 

„Aber er ist nicht aufgetaucht, auf meine Nachrichten hat er nicht reagiert. Aber das habe ich auch ehrlich gesagt schon nicht mehr erwartet, schließlich blockiert er mich seit Wochen“, erzählt Eva weiter.

Ghosting – ein digitales Phänomen?

Eva ist kein typisches Ghosting Opfer, dafür ist sie mit ihren 42 Jahren laut Statistik zu alt. Sie hat sich nie für Onlinedating interessiert, nicht mal für Tinder oder Paarship. Obwohl gerade dort das Phänomen besonders häufig ist. Laut einer Umfrage in den USA sagen 2 von 10 Menschen zwischen 15 und 29 Jahren, dass sie Ghosting selbst erlebt haben. Vor allem im Zusammenhang mit Dating Apps oder digitalen Kontakten. 

Ghosting bedeutet nichts anderes als Kontaktabbruch. Und zwar ohne irgendeine Erklärung, Ankündigung oder vorhergehendem Streit. Das gab es schon vor der Digitalisierung. Vielleicht sind menschliche Beziehungen durch die vielen digitalen Möglichkeiten unverbindlicher geworden aber erfunden haben sie dieses Verhalten nicht.

Ghosting – die totale Krise!

Eva ist durch den Kontaktabbruch von Marc* in eine totale Krise gestürzt. Sie hat sich mehr als zwei Wochen Urlaub genommen, um ihn zur Rede zu stellen. Doch er bleibt verschwunden, so als hätte es ihn nie gegeben. Ganz genau so, als wäre Marc ein Geist. Daher kommt auch der Begriff Ghosting, das englische Wort für Geist.

Sie schläft schlecht, ihre Gedanken kreisen nur noch um Marc. Erst sucht sie die Schuld an seinem Verschwinden bei sich. Dann ist sie so wütend auf ihn, dass Sie Ihre Lieblingstasse aus dem Fenster im dritten Stock wirft. Sie ist geschockt von Ihrem Verhalten, zum Glück wird dabei niemand verletzt. Als sie einen ganzen Tag lang nicht aus dem Bett aufstehen kann, wird ihr klar, dass etwas passieren muss. Sie kommt zu mir in die Beratung.

Was hilft gegen den Schmerz?

Eva hat Gesprächsbedarf. Sie will endlich von Marc wissen, was los ist. Sie will eine Chance zu verstehen, warum sie nichts gemerkt hat. Sie will ihm noch einmal in die Augen sehen. Sie will ihm sagen, was sie fühlt. Sie will….. ganz viel. Und doch bleibt ihr nichts anderes übrig als zu verzichten. Da ist kein Gegenüber mehr, da ist nur noch ein Geist, kein Marc weit und breit.

Dieser Geist ist jetzt in ihrem Kopf, in ihren Gedanken und in ihren Gefühlen. Sie weiß nicht, wie sie ihn jemals loswerden kann. Sie hofft, dass sich der echte Marc doch noch irgendwann meldet und ist sich sicher, dass das nicht mehr passieren wird.

Ihre Freundinnen können ihr nicht helfen, sagt sie. Die wollen nicht mehr mit mir darüber reden, sie sagen ich soll den Typen vergessen. Sie hätten sowieso noch nie was von ihm gehalten, tönt es unisono. Auch ihre Familie ist dieser Meinung. Sie sagen, Eva hat es nicht nötig, ihm hinterher zu laufen und sie solle endlich verstehen, dass Marc ein Problem hat, nicht sie. Er sei derjenigen, der sich falsch verhält und sie soll froh sein, ihn los zu sein.

Eva ist nicht froh.

Ghosting – Wer hat Schuld?

„Bin ich schuld?“ fragt sie mich und blickt mich verzweifelt an.

Die Schuldfrage ist so eine Sache. Sie führt nie zur Lösung und doch erscheint es wichtig, sie zu klären. Wenn wir nicht schuld sind, sind wir erleichtert, fühlen uns unschuldig und harmlos. Doch sobald wir diese Frage stellen, gibt es immer einen Teil in uns, der glaubt nicht an unsere Unschuld.

Dieser Teil sucht nach dem eigenen Anteil am Geschehen, will Verantwortung übernehmen, wo es keine gibt, kann die Ohnmacht und das Ausgeliefertsein nicht ertragen. Dieser Anteil ist häufig ein innerer Antreiber, ein tatkräftiger Anteil, der immer die Verantwortung übernimmt, immer nach Lösungen sucht und sich immer selbst anschuldigt. Egal bei welchem Thema.

Auch Eva kämpft mit diesem Antreiber. Ständig flüstert er ihr ins Ohr, sie hätte mehr Sport machen sollen, sich bei der einen oder anderen sexuellen Praxis nicht verweigern sollen, sie hätte weniger fragen sollen wie es ihm geht… hätte, hätte… und jetzt?

Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung!

In einer Aufstellung mit Figuren kann Eva Marc, dem Geist, einen Platz geben, ihm begegnen. Sie weint, sie lässt los, alle Vorwürfe, die ganze Wut, die Verzweiflung brechen aus ihr heraus.

„Du Arschloch du bringst mich um, ich hasse dich!“ endet dieser Ausbruch. Dann weint sie einige Minuten lang.

Ich schweige, lasse ihr Zeit und gebe ihr ein Taschentuch nach dem anderen.

„Ich glaube, es geht gar nicht um diesen Kerl,“ sagt Eva nach ein paar Minuten des Schweigens. „Es geht um meinen Vater. Er ist es, der mich verlassen hat! Er ist es, den ich hasse!“ Diesmal weint sie nicht, sie bleibt klar und gefasst.

Wir beenden die Sitzung mit einem Abschiedsritual von Marc. Ein Abschied vom Geist in ihr. Sie spricht Sätze nach:

„Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung dafür, dass es mit uns nicht geklappt hat und lasse deinen bei dir.“

„Was ich dir gegeben habe, habe ich dir gern gegeben. Du darfst es behalten.“

„Was du mir gegeben hast, habe ich gern genommen. Ich halte es in Ehren“.

Langsam löst sich etwas in Eva. Sie versteht mehr, will nicht die ganze Verantwortung, keine aber auch nicht. Aber vor allem wird ihr klar, dass Sie die Sache mit ihrem Vater nicht länger verdrängen will.

Wir vereinbaren, in einer nächsten Sitzung genauer auf die Situation mit ihrem Vater zu schauen. 

Zeit und detektivisches Vorgehen

Die Erfahrung, die ein von Ghosting betroffener Mensch macht, kann sich verstörend und sogar traumatisierend auswirken. Die Zeit lässt das akute Leiden zwar etwas in den Hintergrund treten, doch sie heilt die Wunde nicht. Eine andere Frau kam zu mir und wollte ursprünglich ihre aktuelle Beziehung verbessern. Aber es tauchte eine 15 Jahre alte Ghostingerfahrung wieder auf. Der Schmerz war sofort da, als wäre keine Sekunde vergangen seit seinem Verschwinden.

Das ist meist der Fall, wenn hinter dem Ghosting ein noch tiefer sitzender Verlust liegt.  Genau deshalb lohnt es sich auch, den eigenen Schmerz ernst zu nehmen und ihn unter die Lupe zu nehmen. Ähnlich wie ein Detektiv, der sich auf die Suche nach dem Ursprung macht. Am Ende kann der Schmerz zu neuen Erkenntnissen führen.

Schön, ist er dennoch nicht und ich würde mir wünschen, dass so ein Ghost mal zu mir in die Beratung kommt, damit ich auch die andere Seite besser verstehen kann. Wahrscheinlich steckt hinter diesem Verhalten ebenfalls ein früh gelerntes Muster, das heute jedoch mehr Leid als Lösung bringt.

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*selbstverständlich sind die Namen und Fallgeschichten verfremdet, so dass keine Rückschlüsse auf reale Personen möglich sind. Dennoch gibt es von meinen Kundinnen und Kunden auf deren Geschichten meine Blogartikel beruhen, immer das Einverständnis diese zu verwenden.