Jede langjährige Beziehung durchlebt Krisen. Es geht gar nicht ohne eine Beziehungskrise. Manchmal schauen wir uns andere Paare an und denken, aber die haben ganz bestimmt keine Krisen, bei denen läuft es super, die sind doch immer gut gelaunt und wirken glücklich miteinander. Ihr könnt euch sicher sein, dass das nicht stimmt! Auch diese Paare mussten gemeinsam Krisen überwinden allerdings sind sie gestärkt daraus hervor gegangen, denn sonst würden sie heute keinen so glücklichen Eindruck auf uns machen.
Es gehört mittlerweile fast zur Allgemeinbildung, dass wir Krisen durchleben, dass wir sie überstehen können und sogar müssen. Das sagt sich so leicht und es steht in fast jedem Magazin. Und auch im Gespräch unter Freunden wird jeder zustimmen, dass Krisen zum Leben dazu gehören und überwunden werden müssen. Fragen wir jedoch genauer nach, weiß kaum jemand WIE das eigentlich genau geht. Selbst Paare, die von sich behaupten, sie haben eine Krise überwunden, können nicht immer sagen, wie sie das gemacht haben. Meist ist es die Summe aus vielen kleinen Schritten und oft auch durch „Hilfe“ von außen, z.B. durch eine Paartherapie aber auch durch andere Menschen, in die sich einer von beiden verliebt.
Viele häufiger sehen wir die andere Seite, Paare stecken in einer Krise und sie bleiben dort gefühlt viel zu lange. Von außen denken wir dann, wann begreifen die beiden endlich, dass es so nicht weiter gehen kann? Oft sehen wir sogar klar und deutlich die Lösung für das Paar, sie selbst meist jedoch nicht. Sie bleiben in der Beziehungskrise stecken, manchmal sogar jahrelang.
In der Beziehungskrise stecken bleiben
Der Beginn einer Beziehung ist immer großartig, beide Partner sehen im anderen viel mehr als er oder sie für möglich gehalten hätte. Die Zukunft scheint großartig und voller Möglichkeiten zu sein. Mit der Zeit beginnen wir uns aneinander anzupassen. Wir verzichten auf laute Musik, weil das den Partner stört, wir gehen nicht mehr mit den Jungs zum Billard, weil sie Angst alleine zu Hause hat usw.
Die Möglichkeiten, die vorher so unendlich schienen, werden immer weniger, es wird enger und enger. Diesen Prozess habe ich bereits in diesem Blogartikel genauer beschrieben.
Manche Paare halten diesen Zustand kaum aus, sie wollen und müssen weiter, streiten und kämpfen so lange, bis sie durch sind oder bis einer von ihnen geht.
Häufiger ist die Dynamik allerdings, dass der Prozess schleichend und von beiden unbemerkt geschieht. Die Lähmung wird immer stärker. Vielleicht kennt ihr die dazu passende Geschichte vom Frosch?
Der Frosch wird in heißes Wasser geschmissen und er springt sofort voller Kraft und Elan aus dem Topf heraus, denn das heiße Wasser ist für ihn lebensgefährlich! Eine ganz normale und vor allem gesunde Reaktion auf Lebensgefahr.
Wenn nun aber der gleiche Frosch in kaltes Wasser gesetzt wird und das Wasser wird ganz langsam erhitzt, dann wird er lahm und träge, der Gewöhnungseffekt sorgt dafür, dass er den Zeitpunkt verpasst an dem er springen MUSS um zu überleben.
Stattdessen bleibt er im Wasser sitzen und stirbt ohne sich jemals dagegen gewehrt zu haben.
Eine traurige Geschichte finde ich!
Genau das passiert mit Paaren, die zwar kuschelig und sicher aber viel zu eng miteinander leben. Sie sind plötzlich keine zwei Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen mehr, sondern es existiert nur noch das WIR. Das ist genauso gefährlich für unsere Lebendigkeit wie das heiße Wasser für den Frosch. Wir müssen eigentlich irgendwann da raus!
Abhängigkeit und Angst
Warum wir uns selbst die „Hölle heiß machen“ liegt meistens an einer Mischung aus Abhängigkeit und Angst. Wir glauben finanziell und/oder emotional vom anderen abhängig zu sein. Aber auch das ist nicht die Wahrheit.
Natürlich sind wir aufeinander angewiesen, wir helfen und unterstützen uns gegenseitig. Das ist ein Impuls, den wir schon bei ganz kleinen Kindern beobachten können, auch sie wollen anderen helfen und sie nehmen Hilfe ganz selbstverständlich an. Warum sollten wir das, wenn wir erwachsen sind, nicht weiterhin tun? Niemand kann alles alleine schaffen.
Gefährlich ist es nur, wenn wir aus Angst vor der eigenen Unselbstständigkeit bei dem Partner bleiben. Jetzt gilt es die Augen zu öffnen und wirklich hinzuschauen. Wie abhängig bin ich wirklich? Wie alt bin ich wirklich? Die Horrorszenarien, die uns in die Stagnation führen, finden meist nur in unserem Kopf statt. Ein Zeichen dafür, dass wir uns vor der Wahrheit verschließen ist meist, dass wir den anderen gar nicht mehr wirklich anschauen. Wir schauen statt auf den Partner auf den Film in unserem Kopf. Eigentlich ist das eine Form von Missbrauch. Wir missbrauchen den anderen, damit er sich um uns kümmert und gaukeln ihm oder ihr und manchmal auch uns selbst Liebe als Gegenleistung vor.
Vorwürfe und Schuldzuweisungen
Um uns mit den eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten nicht zu konfrontieren gehen wir zum Angriff über. Wir geben dem anderen die Schuld dafür, dass wir beruflich nicht voran kommen, dafür dass wir keine Hobbys mehr haben oder sogar dafür dass wir krank geworden sind (das habe ich tatsächlich vor kurzem gehört!)
Damit versuchen wir, die Verantwortung für unser Leben an den Partner oder die Partnerin abzugeben. Dieser wird sich zu recht dagegen wehren. Die Stagnation in der Beziehungskrise ist vollbracht.
Einsamkeit in der Beziehungskrise
Wenn die Vorwürfe aufhören, weil wir merken, der andere ändert sich ja doch nicht, ziehen wir uns immer mehr in uns selbst zurück. Wir resignieren, verzichten auf unsere Wünsche oder Forderungen an den anderen. Wir haben uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt und uns damit abgefunden. Um das nicht so stark zu spüren gibt es diese „wunderbaren“, modernen technischen Möglichkeiten. Wir gehen dann in den Kontakt zu unserem Handy statt zum Partner oder zur Familie.
Das beschreibt der Therapeut Jesper Juul in diesem Artikel sehr treffend. Er geht sogar so weit, dass er die Mobiltelefone als Familienmitglieder bezeichnet. Oft sind sie wichtiger als die real anwesenden Personen, dabei haben wir nur Angst genauer hinzusehen.
Warum wir so reagieren erklärt sich aus dem oben beschriebenen. Wir haben uns in der Beziehung aufgegeben und werden immer einsamer, obwohl wir in einer Partnerschaft leben. In diesem Blogartikel habe ich es einmal so bezeichnet, „Gemeinsam einsam – willkommen im Knast“.
Wie wir die Beziehungskrise loslassen
Beim Thema Loslassen fällt mir immer das Klettern ein. Wenn wir eine Felswand (oder auch eine Plastikwand in der Boulderhalle) hochklettern wollen, müssen wir immer wieder festen Halt und Sicherheit loslassen. Aber auf keinen Fall alles auf einmal, denn dann fallen wir runter. Halten wir aber immer alles fest, stagnieren wir. In beiden Fällen kommen wir niemals oben an.
Es geht als auch in der Beziehungskrise darum, dass wir in kleinen Portionen immer mehr loslassen und etwas von der bisherigen Sicherheit aufgeben.
Für manche kann es schon eine Herausforderung sein, eine Woche den Ehering abzulegen, andere probieren es mit einer Woche Urlaub allein. Hier ist jedes Paar individuell gefordert, herauszufinden, welche Sicherheiten eigentlich diese Enge ausmachen.
Reframing – den Partner mal anders sehen
Als frisch gebackene NLP-Practionerin möchte ich unbedingt auch auf diese Möglichkeit hinweisen. Aus dem NLP stammt das sogenannte Reframing, durch das wir den Partner ganz neu entdecken können, auch nach Jahren der Stagnation. Es geht nicht darum, alles schön zu reden oder unter den Teppich zu kehren. Es geht darum, unsere Meinung über den anderen genauer unter die Lupe zu nehmen. Dieser Blick lohnt sich gerade dann, wenn wir glauben, wir kennen ihn schon ganz genau. Aber können wir wirklich sicher sein, dass wir recht haben mit dem Urteil über den anderen?
Ein Beispiel
Eine Frau ärgert sich ständig darüber, dass ihr Partner sich so oft mit anderen Menschen trifft oder telefoniert während sie zusammen sitzen. Sie macht sich auf die Suche nach einer neuen Bedeutung, die sie diesem Verhalten geben kann, in dem sie sich fragt, ob sie sich schon einmal über dasselbe Verhalten des Partners gefreut hat?
Und tatsächlich findet sie einen Moment. Sie erinnert sich an eine frühere Beziehung zu einem anderen Partner. Dieser hatte kaum andere Kontakte und war hauptsächlich auf sie ausgerichtet. Jetzt wird ihr klar, dass ihr jetziger Partner durch seine Kontaktfreudigkeit viel Lebendigkeit ins Haus bringt und immer wieder für Abwechslung sorgt, denn er berichtet ihr nach jedem Telefonat ausführlich, was er wieder erfahren hat.
Beim nächsten Mal als er wieder telefoniert während sie gemeinsam am Frühstückstisch sitzen, erinnert sie sich an die neue Bedeutung und reagiert anders. Statt sich zu ärgern, dazwischen zu reden oder sogar genervt aufzustehen, bleibt sie ganz entspannt sitzen und beobachtet ihren Partner mit Wohlwollen während er telefoniert.
Als er sie kurz anschaut, wundert er sich ganz offensichtlich, wie freundlich sie dasitzt. Natürlich kommt es nach dem Telefonat nicht wie sonst immer zum Streit.
Selbst wenn ihr das ab jetzt nicht immer gelingt, ist es ein erster, wichtiger Schritt!
- Wie sieht es bei euch aus?
- Was ist es, das euch am anderen ganz besonders ärgert?
- Und was könnte daran vielleicht sogar gut sein?
- Oder in welchem Zusammenhang ist genau dieses Verhalten wunderbar?
Wenn ihr euch auf die Suche macht, findet ihr bestimmt etwas! Und schon seht ihr euch gegenseitig in einem neuen Licht. Ihr müsst es euch noch nicht einmal sagen. Denn so wie im o.g. Bespiel registriert euer Partner, dass sich eure innere Haltung verändert hat und dadurch reagiert ihr beide in den sonst immer gleichen Situationen plötzlich ein kleines bisschen anders. Die Stagnation ist vorbei!
Vorbilder überwinden
Und noch etwas hilft raus aus der Beziehungskrise, nämlich das Hinterfragen alter Rollenbilder, die wir von unseren Eltern und anderen Menschen aus früheren Generationen übernommen haben. Wir haben diese Rollen und Verhaltensweisen so tief verinnerlicht, dass es fast wie ein Zwang wirkt, ebenfalls so zu handeln.
Wenn wir uns trauen, diese Verhaltensweisen zu hinterfragen, tauchen neue, aufregende aber auch gefährlich anmutende Fragen auf:
- Ist es wirklich so falsch, dass die Frau Karriere macht und der Mann ihr den Rücken frei hält?
- Muss ich meine alten Eltern pflegen, weil sie meine Eltern sind und sich das so gehört?
- Trenne ich mich vom Vater meiner Kinder, weil ich einem Muster in der Familie folge?
Natürlich brauchen wir Mut, genau hinzugucken und diese Fragen überhaupt zu stellen. Sicher ist aber auch, dass einfaches Abwarten nichts verändert. Erinnert euch an den Frosch! Manche Paare stecken viele Jahre in der Beziehungskrise und hoffen, es möge irgendwie vorbei gehen, dabei halten sie selbst die Veränderung aus der Beziehung heraus, die sie sich eigentlich wünschen.
Für einen ersten Schritt aus der Stagnation habe den Emailkurs „Rette deine Beziehung“ entwickelt. Er beinhaltet viele praktische Übungen und vor allem auch die Möglichkeit ganz individuelle Fragen zu stellen, die ich euch dann persönlich per Email beantworte.