3 Wege um wieder zu vertrauen

Wege wieder zu vertrauen

Die Tränen laufen auch in der dritten Sitzung und die Emotionen schütteln meine Klientin heftig. Es scheint keinen Weg zu geben, ihrem Partner zu verzeihen, dass er sie damals mit der besten Freundin betrogen hat. Dabei hatten sie sich beide immer geschworen, ehrlich zueinander zu sein, sie waren sich sogar sicher gewesen, dass ihnen könne sowas nicht passieren kann. Jetzt ist sie verzweifelt, weil sie keinen Weg sieht, ihm wieder zu vertrauen.

Er fühlt sich schuldig und sitzt schweigend neben ihr. Die meisten Freunde raten ihnen schon längst zur Trennung, oder sie soll ihm endlich verzeihen! Schließlich ist das ganze schon über 2 Jahre her. Das Paar selbst weiß sich keinen Rat, sie leiden immer wieder unter der Situation, auch wenn es zwischendurch schöne Zeiten gibt.

Gar nicht so selten kommen Paare in meine Beratung, die einfach keinen Weg finden, einander zu verzeihen und wieder zu vertrauen, obwohl sie es gerne möchten.

Da ist zum Beispiel der Mann, der nach einem Seitensprung seiner Frau das Gefühl hat, etwas ist unwiederbringlich zerstört. Egal wie glaubhaft sie bereut, was sie getan hat und beteuert, es nie wieder zu tun. Er kann es nicht vergessen und lebt ständig in dem Gefühl, dass es irgendwann wieder passiert.

Oder die Frau, die ihrem Partner einfach nicht verzeihen kann, dass er damals bei der Fehlgeburt keine Trauer gezeigt hat. Sie glaubt seitdem, dass ihr Partner unsensibel und kalt ist und dass alles, was sie bisher über ihn gedacht hat, falsch sei. Die Gefühllosigkeit zum Zeitpunkt des eigenen tiefsten Schmerzes macht sie misstrauisch all seinen anderen Gefühlen gegenüber.

In solchen Situationen kommt mir der Film „Die Lawine – höhere Gewalt“  in den Sinn. In dem Film läuft der Mann bei einer vermeintlichen Lebensgefahr weg und lässt seine Frau mit den Kindern allein. Er handelt in Todesangst und reagiert ohne zu überlegen mit Flucht. Allerdings greift es sich noch vorher schnell sein Handy. Der Urlaub wird zu einer heftigen Beziehungskrise. Am Ende sieht der Zuschauer, dass es um eine tiefe Angst von BEIDEN geht. So verstehe ich zumindest den Schluss des Filmes, man kann das sicher auch anders interpretieren.

Paare in solchen Situationen wirken ernüchtert, leidend, zutiefst verletzt und sie stehen vor der gemeinsamen Zukunft als sei diese seit diesem einen Augenblick der Enttäuschung verdorben oder sogar gestorben. Sie kommen zu mir, weil sie zusammen bleiben wollen, sich eine zweite Chance erhoffen, weil sie wissen, dass eine Trennung keine Lösung ist und weil sie den anderen immer noch lieben, manchmal auch wegen der gemeinsamen Kinder.

Fakt ist, sie wollen es noch einmal versuchen. Hier sind drei Wege, wie es für beide jetzt weiter gehen kann:

Trauern, um wieder zu vertrauen

Etwas in diesen Beziehungen ist tatsächlich für immer zerstört aber es ist nicht das Vertrauen. Es ist etwas, an das beide oder einer von ihnen bisher immer geglaubt hat.  Jetzt stellen sie entsetzt fest, dass sie sich in dem anderen und in der Beziehung getäuscht haben. Das gute daran ist, dass diese Täuschung jetzt vorbei ist. Sie wurde ent-täuscht – also aufgedeckt.

Häufige geht es dabei um diese Täuschungen

  • der Glaube an die romantische Liebe, wie sie in vielen Büchern und Filmen gezeigt werden – dahinter zeigt sich, dass der andere vielfältiger und komplexer ist.
  • oder es geht um den Glauben an die körperliche Treue und jetzt wird klar, dass sie mit diesem Partner oder dieser Partnerin nicht so einfach möglich ist.
  • vielleicht ging es auch um die Sicherheit, die eine starke Beziehung ausmacht und jetzt breitet sich Unsicherheit aus.
  • es kann auch der Anspruch an den anderen sein, dass er oder sie immer ehrlich zu mir ist, der sich als zu hoch gesetzt erweist.

In all diesen Fällen geht es darum, etwas aufzugeben. Sicherheit, Treue, romantische Liebe und sogar die Ehrlichkeit. Dahinter kommt das Leben mit all seinen Facetten zum Vorschein und beide können sehen, wie der andere wirklich ist. Es bedeutet auch nicht, dass all das für immer verloren ist.

Wenn sie es schaffen, sich diesem Prozess zu stellen und sogar gemeinsam um das Verlorene trauern können, dann haben sie eine gute Chance, dass ihre Beziehung danach reifer und auch reicher wird. Sogar die Liebe wird tiefer und meint tatsächlich den anderen mit allem, was ihn oder sie ausmacht. 

Verzeihen, um wieder zu vertrauen

Die Frau vom Anfang dieses Blogartikels weint, weil sie nicht verzeihen kann. Sie möchte es so gerne und manchmal schafft sie es auch für ein Zeit, das Erlebte zu verdrängen. Aber dann ist da plötzlich ein Wort, eine Erinnerung an die Verletzung und alles ist wieder da. Verzweifelt fragt sie mich, wie kann ich verzeihen?

Dabei geht es gar nicht darum. Verzeihen hat etwas Arrogantes. Im Verzeihen stellt sich der Verzeihende über den anderen, er ist gnädig. Das ist die große Gefahr, die im Verzeihen liegt, sicher innerlich über den anderen zu stellen, sich für besser zu halten. Eigentlich gibt es nur eine einzige Person, der ich verzeihen darf und das bin ich selbst.

Sie starrt mich an: „Aber ich habe doch nichts getan!“

Ja, das stimmt und ICH sehe das auch genauso. Aber ich weiß, dass die meisten Menschen in so einer Situation sich hinter der eigentlichen Empörung und Verletzung auch schuldig fühlen. Sie werfen sich vor, nicht gut genug zu sein. Insgeheim denken sie Sätze wie diese:

  • eigentlich hätte ich es wissen müssen, aber ich wollte es nicht sehen
  • viel zu naiv, fast kindlich habe ich ihr vertraut und alles geglaubt
  • wahrscheinlich hätte ich mich mehr um die Beziehung kümmern müssen, aber die Arbeit war mir immer wichtiger
  • ich habe mich zu sehr gehen lassen, bin nicht schön oder stark genug 
  • immer gerate ich an die falschen Partner, das liegt bestimmt an meiner gestörten Beziehung zu meinen Eltern, daran muss ich arbeiten
  • usw. usw.

Die Sätze sind individuell und werden meist vor dem anderen geheim gehalten, damit er nicht glaubt, er käme so einfach davon. Aber ich selbst kenne die Vorwürfe, die ich mir mache und ich kann mir selbst nicht verzeihen. Zu der Verletzung füge ich also auch noch Selbstvorwürfe hinzu. 

Gehen wir nochmal zurück zu der Klientin. Er hat sie betrogen als es ihr selbst gerade nicht gut ging, ihr Mutter lag im Sterben, sie war mit den Kindern überfordert und die Sexualität war schon lange eher eine Pflichtübung für sie. Lust hatte sie eigentlich nie von sich aus. Er war auf einer Geschäftsreise und mit seiner Kollegin fühlte er sich sehr vertraut. Der Klassiker, Alkohol war natürlich auch im Spiel.

Kann sie ihm jemals verzeihen? Darf sie das von sich selbst verlangen? Kann sie das überhaupt? Und wenn ja, was hätte das zur Folge?

Sie würde sich über ihn stellen, gnädig seine Fehler verzeihen. Ihr Blick auf ihn wäre eher der einer Mutter, die auf ihr Kind schaut. Er wäre im ersten Moment dankbar, dass sie ihm verzeiht, vielleicht erleichtert. Sie wäre in der Folge unsicher, würde misstrauischer sein, sich selbst in Frage stellen. Auch er wäre unsicher, ein Schuldgefühl und der Wunsch sich zu bessern bliebe. Er würde zur Sicherheit wahrscheinlich nur noch eine Facette von sich zeigen.

Beide hätten nichts verstanden. Nicht den anderen und nicht sich selbst.

Anders wäre es, wenn beide darum ringen würden, sich selbst zu verzeihen. Wenn sie mehr Verständnis und Liebe für sich selbst aufbringen würde. Und vor allem, wenn sie sich zeigen würde in ihrem Schmerz und mit ihren Selbstvorwürfen. Er bräuchte dann den Mut zu bleiben und sich ihrem Schmerz zu stellen. Dann könnte er sich ebenfalls zeigen in seinem Schmerz, beide als ganze Menschen. Sie könnten sich dem anderen zumuten, so zu sein wie sie wirklich sind und lernen über sich selbst hinaus zu wachsen.

Auf sich selbst können beide gnädig wie eine Mutter auf das Kind schauen und sagen, okay das war wirklich ein Fehler, da habe ich Mist gebaut, war viel zu naiv oder kindisch. Das ist der Prozess des erwachsen Werdens, sich selbst in den eigenen Verletzungen zu sehen und aus Fehlern zu lernen. Natürlich braucht es auch manchmal eine Entschuldigung oder eine Wiedergutmachung, aber der Fehler wird erst dann zum Lernen genutzt wenn ich bereit bin  die volle Verantwortung für das was passiert ist zu übernehmen.

Leicht ist das auf keinen Fall! Es tut weh und es darf länger dauern. Aber nur so hat sowohl die Frau als auch der Mann am Ende die Möglichkeit, sich selbst zu verzeihen und sich sogar als den Menschen mit Fehlern und Verletzungen zu lieben, der sie sind.

Vertrauen, um wieder zu vertrauen

Im Prinzip ist Vertrauen nichts anderes als eine Entscheidung. Ich kann mich dafür entscheiden dem anderen zu vertrauen oder eben nicht.

Aber was genau bedeutet das? Geht es darum, dem anderen zu vertrauen, dass er mich niemals verletzen wird, dass er oder sie meine Gefühle kennt und achtet und sich entsprechend verhält, dass ich immer in Sicherheit bin und mir kein Leid geschieht, dass der andere immer sagt was er wirklich meint, nicht lügt und keine Geheimnisse vor mir hat, dass wir beide immer alles richtig machen? Ist das wirklich Vertrauen oder ist es nicht vielmehr Kontrolle?

So wie Stefan Hiene es in seinem Buch „Aufwachmedizin“ wirklich beachtenswert beschreibt. Vertrauen

„Vertrauen lernst du nicht dadurch, dass du vertraust und in dem Vertrauen bestätigt wirst.

Vertrauen lernst du, in dem du vertraust und enttäuscht wirst und trotzdem erneut vertraust.

Jemandem zu vertrauen bedeutet, dass ich ihm vertraue, dass er Dinge macht, die ihm gut tun“.

Dieser Gedanke lohnt sich und ich möchte ihn noch weiter führen. Denn wer es darüber hinaus auch noch schafft darauf zu vertrauen, dass der andere Dinge tut, die nicht nur ihm gut tun, sondern die auch für unsere Beziehung gut sind, der erhält etwas, das noch über das Vertrauen hinaus geht. Es ist das Selbstvertrauen, den Herausforderungen des Lebens und der gemeinsamen Beziehung gewachsen zu sein.

Auf keinen Fall möchte ich den Schmerz der Enttäuschung klein reden oder dazu raten, ganz schnell über diesen Schmerz hinwegzugehen. Er ist eigentlich das größte Geschenk, denn durch ihn ist es möglich, gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden. Der Weg kann auch mal eine Trennung bedeuten, wenn z.B. der Schmerz über das was zerstört wurde zu groß ist. 

Das Paar aus der Beratung konnte sich in dem Moment für die Beziehung entscheiden, als sie gesehen haben, dass ihre gemeinsame Zukunft nicht davon abhängt, ob sie ihm verzeiht oder nicht. Beide machten sich auf den Weg, sich selbst zu verzeihen, um den anderen wirklich sehen zu können. Erst dann konnten sie Verständnis füreinander zeigen und sie begannen einander wieder zu vertrauen. Sie haben sich sogar erneut für die körperliche Treue entschieden, aber erst jetzt ist ihnen bewusst, wie wichtig diese BEIDEN ist und sie sind sich sicher, dass es auch ganz anders kommen kann.

 

 

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