Lügen in der Beziehung – Wenn das rauskommt verliere ich alles

Es ist schon erstaunlich wie sehr das Thema „Lügen in der Beziehung“ einen Nerv getroffen hat. Ganz spontan und ohne große Vorbereitung habe ich mit meiner Kollegin und Kommunikationstrainerin Renata Vogelsang ein Gespräch dazu aufgenommen. 

Das Gespräch hat den Untertitel „Wenn das rauskommt verliere ich alles“, weil sich Geheimnisse oft genauso anfühlen. 

Lügen in der Beziehung – wenn das rauskommt verliere ich alles

Hier ist das komplette Gespräch auch schriftlich:

Manuela Komorek:

Herzlich willkommen zu einem Gespräch zum Thema “Wenn das rauskommt, verliere ich alles”.

Der Wunsch danach, dieses Thema weiter zu vertiefen, ist aus meinem letzten Newsletter über das “perfekte Geheimnis” heraus entstanden. Ich hatte von dem Kinofilm geschrieben, und dann gab es auch noch ein Webinar. Und daraufhin haben Renata und ich festgestellt, dass das ein riesiges und spannendes Thema ist.

Und wir haben schon ganz viel Erfahrungen dazu gesammelt und hatten Lust, voneinander zu erfahren, was wir darüber schon wissen. Dann haben wir uns überlegt, dass wir das als kleines Interview, als Gespräch miteinander machen.

Ihr kennt uns ja beide, Renata und ich haben immer mal wieder etwas zusammen gemacht, denn wir finden, dass wir uns großartig ergänzen. Unsere Gespräche miteinander finden normalerweise nicht vor laufender Kamera statt. Da wir aber festgestellt haben, wie wunderbar und bereichernd sie sind, haben wir uns nun dazu entschieden, das mal mit Kamera zu machen.

So, Renata, jetzt an dich das Wort!

Renata Vogelsang:

Hallo und herzlich willkommen zu diesem Gespräch. Wir sind auch noch deshalb auf diese Idee gekommen, das zu machen, denn du hattest von diesem Geheimnis gesprochen. Und meine Angebote heißen ja “Sprich deine Wahrheit”. Und ich war vor kurzem zweimal einen Tag lang in einer Ausstellung hier in der Schweiz, die heißt: “Fake-News – die ganze Wahrheit”. Und ein Museum hat das sehr interaktiv dargestellt, als “Amt” für die ganze Wahrheit, und da werden alle möglichen Aspekte der Wahrheit beleuchtet.

Ich bin da also reingekommen, und ich bin ja so eine Person, der Wahrheit sehr wichtig ist – Transparenz und die Wahrheit auszudrücken ist beides wichtig. Und als ich mit meinem Mann nach vier Stunden da herausgekommen bin, da haben wir gesagt: Sehr interessant – wo ist da eigentlich die Grenze?

Und ich habe mir einen Ansteck-Knopf mitgenommen, auf dem steht: I love to lie. Und ich finde das so frech! Dann habe ich ihn mir angesteckt und bin damit wirklich mal rumgegangen. Auch in meinem Kurs habe ich das mal getragen. Und das war so interessant, einerseits die Irritation der Leute, die das gesehen haben, zu sehen.

Und auf der anderen Seite habe ich gedacht, jetzt schaue ich mal, wie das ist, wenn ich mir erlaube, zu denken, ich könnte lügen. Und das war so interessant! Das war total entspannend, einen Moment lang. Und ich habe gedacht: Super! Da kann man alles erzählen. Ich muss nicht sorgsam darauf achten, was ich jetzt an Wahrheit erzähle – die ja immer meine Wahrheit ist.

Dann habe ich mir gedacht: Lass uns mal hier diese Grenze ausloten!

Manuela Komorek:

Genau – ich bin ja auch so ein “Wahrheits-Junkie”. Ich denke, es ist so zerstörerisch und ich erlebe auch die zerstörerische Kraft von Lügen und Geheimnissen, z. B. Familiengeheimnisse, die ganze Systeme crashen können, weil sich das weitervererbt. In meiner Beratung sitzen dann Menschen, die wissen nicht, wer ihre Eltern sind. Weil es plötzlich aufflog, dass es nicht der richtige Vater ist, von dem sie es immer dachten.

Und das ist so verunsichernd für die menschliche Identität, dass ich immer denke: Bloß nicht Geheimnisse haben! Bloß nichts verstecken! Sondern so wahrheitsgemäß, so kraftvoll und so klar wie möglich nach außen gehen. Dennoch weiß ich auch darum, dass wir ja alle lügen, Immer wieder. Ich glaube, es wird behauptet, dass man etwa 200-mal am Tag lügt.

Renata Vogelsang

20- bis 80- bis 200-mal am Tag eigentlich. Also wirklich der Hammer, oder?

Manuela Komorek

Ja, genau. Und da interessiert mich wirklich die Grenze. Bis wo ist es gut, ein Geheimnis zu haben? Ich halte auch nichts davon, beispielsweise in einer Paarbeziehung alles offenzulegen. Und sich mit allem, was man an Gedanken, Geheimnissen und sonst wie im Kopf hat, sofort dem anderen überzustülpen und sich wie abzugeben beim anderen. Nach dem Motto: Hier, da hast du es, mach was damit! Oder mit einer kindlichen Haltung zum Partner hinzugehen, um ihm zu sagen: Oh, ich habe etwas angestellt!

Ab wann ist es erwachsen, auch zu schweigen und ab wann ist es zerstörerisch? Das finde ich spannend, das ist für mich so ein fließender Übergang. Da könnte ich nie 100 % sagen, so oder so ist es.

Renata Vogelsang

Also nach meiner Perspektive ist es ja auch nicht eine 100 %-Geschichte. Denn das kann sich ja in mir ändern, wenn irgendetwas, was ich in mir trage, ein Geheimnis ist. Es kann aber auch sein, dass das eine innere Entwicklung ist.

Oder manchmal sehe ich in den Kursen, wenn die Leute etwas erarbeitet haben beim Üben. Dann geben wir ihnen häufiger mal den Hinweis, nicht den Ratschlag, sondern einfach den Hinweis, dass es gut sein kann … das muss man dann selbst wahrnehmen ... aber dass es auch gut sein kann, nicht gleich nach Hause zu gehen und es zu teilen.

Denn die innere Energie, die ganz stark bei einem selbst ist, ist in dem Moment ja sehr kraftvoll, und die ist ja sonst gefährdet, so wie wegzufließen. Und dann kann es aber sein, wenn sich das gesetzt hat, das, was in den Zellen als neue Erfahrung angekommen ist, dass es dann total kraftvoll ist, das zu teilen!

Manuela Komorek

Ja, genau, das verstehe ich. Ich habe gerade an den Film “Das perfekte Geheimnis” gedacht, wo einer dieser Freunde, die schon seit der Kindheit, seit sie fünf Jahre alt sind, befreundet sind, sich nicht getraut hat, sich zu outen als homosexueller Mann. Und entsprechend ist das ja ein Prozess.

Man wacht ja nicht auf und sagt plötzlich: Aha, ich liebe Männer, sondern es ist ein Prozess. Und sich dann lange erstmal zu verschließen und das für sich selbst erstmal zu halten, es auszuhalten. Und der Moment, wenn es dann so weit ist, nach außen zu gehen, der ist ja bei jedem unterschiedlich und es braucht diese Reifezeit.

Und dennoch waren die Freunde teilweise enttäuscht, sogar entsetzt und fühlten sich verraten. Weil der andere diese so wichtige Wahrheit nicht mit ihnen geteilt hat. Oder eben erst spät.

Renata Vogelsang

Das ist ein ganz interessanter Aspekt! Also: Wie weit vertraue ich mir, damit ich meinem Gegenüber vertrauen kann? Das hat ja immer etwas mit uns selbst zu tun. Das ist, finde ich, ziemlich unpersönlich. Das hat nichts mit dem Gegenüber zu tun, sondern das hat mit mir zu tun.

Ob ich mir selbst traue und mir so weit traue, das in die Welt zu bringen. Das hat mit diesem inneren Prozess zu tun. Und wenn das Gegenüber es dann persönlich nimmt, dann kommt diese Geschichte: Du hast mir misstraut, du hast das nicht offengelegt!

Manuela Komorek

Genau, dann kommen ja Vorwürfe von dem anderen. Und da wäre es interessant, zu erfahren, was du als Kommunikationsprofi sagen würdest. Wie kann dieser Mensch nun gut oder klug reagieren oder für sich kraftvoll reagieren, dass er da nicht untergeht?

Renata Vogelsang

Genau –  dass er das nicht zu sich nimmt und ein schlechtes Gewissen bekommt. Oder sich schuldig fühlt. Denn das ist ja das, was wir machen. Und dann entschuldigen wir uns für etwas, was ja etwas ganz Eigenes aus unserem Inneren war.

So, ich bleibe einfach bei diesem Beispiel. Da ist ein Mensch, der das dann offenlegt – ich würde auch nicht sagen, preisgibt, denn das wirkt ja so, als ob man etwas gibt, aber mit Mühe – also man macht von sich aus diese Bewegung der Öffnung und sagt: Schau mal, ich mache hier mein “Fenster” auf und zeige dir das von mir, was mir sehr wertvoll ist und wovon ich annehme, dass ich es schützen muss – aus was für Gründen auch immer.

Das ist jetzt die eine Bewegung von der Person, die das aufmacht. Und wenn die anderen entsetzt sind oder irritiert sind oder sagen, dass sie verletzt sind – wenn man verletzt ist, dann gibt man ja die Verantwortung für das eigene Befinden an die andere Person. Und das geht ja nicht, denn meine Reaktion ist immer meine.

Für die Person, die das öffnet, wäre dann eine Variante, zu schauen: Was habe ich jetzt für Gefühle, wenn die Menschen so reagieren? Und dann kann man sagen: Das macht mich total traurig, dass du das so wahrnimmst. Mein Bedürfnis: Mich würde es so freuen, wenn du das nicht persönlich nimmst, sondern sehen würdest, dass ich da einen Prozess durchmachen musste, um das überhaupt rausgeben zu können.

Und dann ist die Frage ans Gegenüber: Wie ist es für dich, wenn ich das so sehe, wenn das so bei mir ankommt? Und dann bist du sofort im Gespräch.

Das ist bei jedem Geheimnis so, wenn man es auftut. Und es ist egal, ob das klein oder groß ist. Du kennst diese ganz kleine Reaktion: Ach, ich sag das jetzt nicht. Das kennen wir vom Alltag. Wenn es den Leuten zu mühsam ist, das aufzumachen, weil sie zu müde sind oder weil sie zu gestresst sind. Oder einfach, weil sie lieber das Thema vermeiden.

Es kann etwas ganz Kleines und Lächerliches sein, aber es kann auch sein, dass ich auch das dann irgendwann aufmache. Und dann ist das genau dieselbe Haltung. Und wenn ich dabei bleibe, dass das in meiner Entscheidung ist, was ich teile und was nicht, dann kann ich das einfach öffnen. Und hier sind wir wieder bei einer Grenze: Wenn ich annehme, dass das Gegenüber ein Recht drauf hat, dann wird es heikel.

Manuela Komorek

Ja, ich bin ja Paartherapeutin. Und da ist es dann oft das Thema Fremdgehen. Und wenn sich das dann wirklich zu einer Affäre, zu einer Liebesbeziehung auswächst, und wenn da auch so ein Moment verpasst wurde, das zu sagen. Das wäre dann ja so eine ganz heikle Situation, in der es darum geht: Sage ich es oder sage ich jetzt nichts?

Denn am Anfang ist es vielleicht für mich selbst ein Prozess, ein bisschen Freiheit, ein bisschen Flirt und Feuer. Und es hat vielleicht auch tatsächlich wenig mit der Beziehung gerade zu tun. Es ist wirklich ein eigener Prozess, das will ich gar nicht in Frage stellen. Aber irgendwann kommt der Moment, wo es dann doch darum geht.

Renata Vogelsang

Ja, das ist so die Schnittstelle: Wann gefährdet es denn die Beziehung, wann wird es zerstörerisch? Und man weiß es ja nie, man weiß es erst nachher. Wenn die andere Person, das Gegenüber, dann kommt und sagt: Ich kann dir das nie verzeihen! Und annimmt, dass Verzeihen etwas für das Gegenüber ist, obwohl es ja etwas für einen selbst ist. Dann kommt die Frage auf: Hätte ich es doch nicht sagen sollen?

Aber was passiert denn mit dem eigenen Körpersystem, wenn ich dauernd mit diesem Geheimnis rumlaufe? Es ist bekannt, dass, wenn ich dauernd mit einem belastenden Geheimnis herumlaufe, also wenn es wirklich ein ausgewachsenes Geheimnis ist… Sonst ist es ja einfach etwas, was ich nicht sage, was mir zusteht.

Aber wenn es ein ausgewachsenes Geheimnis ist, dann belastet es mein Körpersystem und kann mich krank machen.

Manuela Komorek

Und das ist ja auch so eine Grenze. Nehmen wir mal an, es war jetzt ein One-Night-Stand auf einer Betriebsfeier, ein Klassiker. Es war nichts Emotionales, sondern einfach eine körperliche, freudvolle Begegnung. Und das ist für manche sogar selbstverständlich, dass es einem zusteht. Es ist überhaupt kein zermürbendes Geheimnis, sondern es ist für diese Person jetzt klar: Das darf ich.

Und dann, ist es dann so, dass es trotzdem zermürben kann oder ist es einfach klar, dass ich es in mir behalten kann?

Renata Vogelsang

Das kommt drauf an, was die Abmachungen in der Beziehung sind. Wie löst du das systemisch?

Manuela Komorek

Systemisch ist es vor allem dann relevant, wenn ein Kind entsteht. Dann spielt es wirklich auf der systemischen Ebene eine Rolle. Denn dann ist es zerstörerisch für das bestehende System und es ist notwendig, dass es ausgesprochen wird.

Unabhängig davon, ob das Kind abgetrieben oder ausgetragen wird. Da sind wir aber auch auf einer Ebene, wo fast alle sagen würden, dass man es unbedingt sagen sollte. Und alles, was davor liegt, kann systemisch relevant sein, wenn die Person sich tatsächlich auch verliebt hat und auch wirklich innerlich und emotional nicht mehr da und greifbar ist.

Dann spüren Kinder, dass die Mama oder der Papa eigentlich gar nicht richtig da ist. Und sie beginnen manchmal, sich mit dem Geliebten oder der Geliebten zu identifizieren. Und das führt auch zu seltsamen Dingen.

Es kommt dann plötzlich heraus, dass sich jemand nicht traut, eine Beziehung zu haben, weil der Vater beispielsweise mit der Geliebten so und so umgegangen ist. Es gibt dann Verstrickungen, die kann man sich dann gar nicht mehr richtig erklären, aber die sind systemisch relevant.

Und deswegen würde ich bei solchen Geschichten auch immer denken, dass man da hinschauen sollte, um herauszufinden, was auf der systemischen Ebene los ist. Wenn ich die andere Person dazunehme, dann kann man es sofort sehen, ob es relevant ist oder nicht.

Das weiß ich vorher aber nicht, sondern ich sehe es dann in der Beratung. Dann kommt der Geliebte oder die Geliebte dazu, aber man merkt: Das betrifft aber unsere Beziehung und uns als Paar gar nicht. Und dann ist es auch gut. Und dann ist es tatsächlich eine charakterbildende Maßnahme, es nicht dem Partner überzustülpen, nur, weil man es gerade nicht so gut aushält, dass man dieses Geheimnis hat.

Renata Vogelsang

Sehr interessant, diese beiden Seiten. Ich finde, das zeigt es so ganz deutlich, dass es immer wieder darauf ankommt, wie es einem mit dem Geheimnis geht und wie groß der Druck ist. Es hat ganz viel damit zu tun, wie groß der Druck ist.

Manuela Komorek

Ja, richtig. Und auch damit, wo der eigene Wert von Wahrheit und Beziehung in Bezug zu dem, was man sich da gerade erlaubt, getroffen ist oder wo mein Wert eigentlich ganz entspannt damit ist, dass ich beispielsweise noch fünf andere Männer habe, und mein Mann weiß nichts davon. Weil es vielleicht schon bei meiner Mutter so war und ich das als ganz normal erachte.

Renata Vogelsang

Da sind wir wieder bei diesem Grundwerten, nicht? Und dann ist die Frage: Wenn du fünf Männer hast, ob dein “Haupt-Mann” das gerne hat und ob er womöglich auch selbst so ein System hat.

Manuela Komorek

Aber darüber reden wir ja nicht, jetzt geht es ja darum, dass er das nicht weiß. Wenn es so eine Absprache ist, “Ich 5, er 10”, dann ist ja alles gut. Dann ist es vielleicht noch mal spannend, zu sehen, wie das funktioniert. Aber es geht ja jetzt eher darum, dass ich diese fünf Männer hätte, theoretisch, und mein Mann weiß nichts davon.

Was ich mir z. B. nicht vorstellen kann, dass er das nicht weiß, denn so etwas spürt der andere auch sehr oft. Ich habe das auch oft erlebt, wenn dann Paare da sitzen und es endlich aussprechen. Und dass der andere dann sagt: Das wusste ich, ich habe das geahnt.

Renata Vogelsang

Ja, das stimmt. Und es muss auch nicht unbedingt gleich eine Geliebte oder ein Geliebter sein, das ist auch oft mit anderen Geheimnissen so.
Dieses Gespräch ist jetzt einfach ein kleines Weihnachts-Special für euch aus unserer Freude aneinander und am Thema und wir wollen euch einfach daran teilhaben lassen. Und mal da reinspringen und schauen, was dabei herauskommt.

Manuela Komorek

Vielleicht werden wir das auch häufiger machen und wir freuen uns natürlich auf euer Feedback, denn das ist ganz wichtig. Denn wenn das für euch interessant und hilfreich ist, dann sind wir gerne bereit, das weiterzumachen und wir freuen uns darauf, zu erfahren, was ihr dazu zu sagen habt.

Ansonsten war es das für heute, und wenn jemand von euch ein Thema hat und selbst auf so einem Geheimnis sitzt, dann wisst ihr ja auch, wo ihr uns finden könnt, um euch da Unterstützung zu holen.

Renata Vogelsang

Und geht zu Manuela, um aufzustellen, ob das relevant ist oder nicht.

Manuela Komorek

Und wenn es relevant ist, dann geht ihr zu Renata: https://soulspeeches.com/

Renata Vogelsang

Genau, dann kommt ihr zu mir und schaut, wie ihr das sagen könnt.

Einen Termin für ein kostenloses und unverbindliches Vorgespräch mit mir, Manuela Komorek, könnt ihr übrigens hier buchen: