Gewaltfreie Kommunikation

gewaltfreie Kommunikation

Häufig geht es in der Paarberatung um das Thema Kommunikation.

Es ist kaum auszuhalten, wie manche Paare miteinander reden. Sie lassen sich nicht ausreden, sie beschimpfen sich und es hagelt Vorwürfe. Gerade in der Paartherapie kochen die Emotionen natürlich besonders hoch aber ich beobachte auch gerne Paare in der Umgebung. Auch da interessiert mich vor allem, wie sie miteinander kommunizieren. Und ganz besonders achte ich neuerdings darauf, ob sie vielleicht schon die gewaltfreie Kommunikation ausüben oder weit davon entfernt sind.

Am Flughafen

Als ich Anfang des Jahres auf meinen Koffer am Flughafen wartete, konnte ich ein älteres Paar beobachten. Sie hatte sich gemütlich hingesetzt und schickte ihren Mann vor, damit er in der Schlange stehen und den Koffer abholen könne. Irgendwann brüllte sie ihm einen Befehl zu „Gustav, du musst deinen Schuh zumachen.“ Gustav schaute sich zu ihr um, und es war offensichtlich, dass er seine Frau akustisch nicht verstanden hatte. Daraufhin machte sie wilde Zeichen und beschimpfte ihn zusätzlich noch als Blödmann. Außerdem blickte sie sich beifallsheischend um und wollte von den Umsitzenden die Zustimmung, dass ihr Mann wirklich ein Trottel ist.

Oh Mann, Gustav! Warum lässt du dir das gefallen?! Hier war weit und breit nichts von gegenseitigem Respekt oder Wertschätzung zu spüren. Aber genau dieses Verhalten scheint für ältere Paare manchmal ganz normal zu sein. Gustav machte jedenfalls nicht den Eindruck als sei er überrascht über das Verhalten seiner Frau.

Wenn ihr euch selbst auch immer wieder bei dieser Form der Kommunikation erwischt und euch damit aber unwohl fühlt dann hilft es sehr, sich einmal mit dem Thema gewaltfreie Kommunikation zu beschäftigen. Sie ist eigentlich leicht zu verstehen, aber die Umsetzung braucht meistens mehr Zeit als wir denken und wie bei allen Dingen, die wir neu lernen, braucht sie Übung, Übung, Übung.

Wenn sie dann allerdings gelingt, ist sie eine wahre Wunderwaffe gegen genau diese Art der Paarkommunikation, die sich oft über Jahre fast heimlich in die Beziehung eingeschlichen hat.

Hier sind die vier Schritte, die Marshall Rosenberg als Grundstein für seine GfK (gewaltfreie Kommunikation) gelegt hat

„1 Beobachtung – ohne zu urteilen“

Das ist keine leichte Übung, denn es erscheint uns langweilig, nur auf das zu achten, was geschieht und es dann einfach nur zu bemerken, ohne gleich ein Urteil darüber zu haben.

Wir sehen nur, dass der andere den Kopf dreht oder die Augen nach oben rollt. Sofort fügen wir reflexartig unsere Interpretationen hinzu. Wir denken dann, dass der andere gegen uns ist, weil er den Kopf wegdreht oder uns sogar verachtet, weil er mit den Augen rollt.

Wir können aber nicht wissen, ob das wirklich die Wahrheit ist. Vielleicht war da einfach ein Fliege wegen der er den Kopf zur Seite gedreht hat.

Unsere eigenen Interpretation zu entlarven ist ein erster Schritt auf dem Weg zur gewaltfreien Kommunikation.

„2 Gefühle-ohne zu interpretieren“

Und weiter geht es mit dem Unterlassen von Interpretationen.

Diesmal wenden wir unsere Aufmerksamkeit noch weiter weg vom Partner und wir schenken sie stattdessen uns selbst, indem wir uns innerlich Fragen stellen.

Was fühlen wir gerade, während wir dem anderen zuhören?

Welche körperlichen Phänomenen können wir an uns beobachten? Schnellerer Herzschlag, roter Kopf u.a.

Was denken wir über unseren Partner?

All das ebenfalls einfach nur wahrzunehmen ist der nächste Schritt. Diesmal ist es ein Schritt zu mehr Aufmerksamkeit uns selbst gegenüber, denn wir brauchen diese Aufmerksamkeit für den nächsten Schritt.

„3 Bedürfnisse – bereichern unser Leben“

Jetzt geht es darum, das Bedürfnis heraus zu finden, das sich hinter unseren Gefühlen verbirgt. Das eigene Bedürfnis ist meistens ein bisschen versteckt, weil wir gelernt haben, Rücksicht auf andere zu nehmen oder uns selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Als Kind waren wir noch sehr klar in unseren Bedürfnissen. Wir haben sie gefühlt und sofort nach ihrer Erfüllung verlangt. Dann beginnt die Erziehung und wir lernen Rücksicht und all die anderen Dinge mit denen wir uns an die Gesellschaft anpassen. Mit der Zeit ersetzen wir dann die Klarheit über Bedürfnisse durch Strategien, die uns an unser Ziel führen sollen, denn heimlich erwarten wir natürlich immer noch, dass sie erfüllt werden. 

Am liebsten sollen sie von den anderen erfüllt werden und zwar von den Menschen, die uns besonders nahe stehen, dann fühlen wir uns geliebt. Die müssen doch wissen was ich gerade brauche! Nein, das müssen sie nicht, sie können es sogar gar nicht.

Es geht nicht darum, keine Bedürfnisse zu haben, sondern es geht um die Art und Weise, wie und wer sie erfüllen kann. 

„4 Bitten-ohne zu Fordern“

Wenn du jetzt also das Bedürfnis hinter deinem Gefühl gefunden hast, kannst du es auch formulieren. Du hast ein recht darauf und der andere sollte davon wissen.

Aber Achtung, er ist nicht verpflichtet, dein Bedürfnis auch zu erfüllen, nur weil du es ihm mitgeteilt hast.  Du kannst jetzt natürlich immer noch selbst für die Erfüllung deiner Bedürfnisse sorgen. Manchmal hat der andere vielleicht sogar Lust dazu, für dich genau das zu tun, was du dir wünschst und dann ist es wundervoll, wenn er oder sie dein Bedürfnis erfüllt.

Wichtig ist nur, dass er schon mal davon gehört hat und nicht nur die unfreundliche Emotion abbekommt, weil du gerade ein unerfülltes Bedürfnis hast..

Noch einmal am Flughafen

Wie könnte das Gespräch zwischen den beiden am Flughafen aussehen, wenn sie die Kunst der gewaltfreien Kommunikation beherrschen würden?

Zunächst einmal würde sie lediglich sehen, dass der Schuh ihres Mannes geöffnet ist. Dann würde sie beginnen, sich selbst zu beobachten und sich fragen, was sie daran eigentlich stört. Macht sie sich Sorgen, ihr Mann könnte stolpern und sich verletzen? Oder möchte sie einfach vermeiden, dass die anderen schlecht über ihren Mann denken, weil der offene Schuh unmöglich aussieht. Oder möchte sie selbst wahrgenommen werden und sieht in dem offenen Schuh nun den Grund, laut durch die Flughafenhalle zu brüllen? Vielleicht kämpft sie auch gegen die Faulheit, jetzt am besten aufstehen zu müssen, damit sie eben nicht so laut rufen muss.

Alle diese Fragen könnte sie sich in kurzer Zeit beantworten und zwar noch bevor sie etwas zu ihrem Mann sagt.

Dann könnte sie entscheiden, ob sie ihren Mann überhaupt auf den offenen Schuh hinweisen soll. Danach würde sie überlegen, ob ihr der Schuh egal ist und wenn nicht, wie laut sie rufen muss oder ob sie doch lieber aufsteht. Und am Ende spricht sie einfach nur aus was sie sieht „Gustav, dein Schuh ist offen“.

Sie ist dann die Verantwortung los und er kann ganz entspannt und selbstständig entscheiden, ob er den Schuh offen lässt oder nicht. Ihre anderen Bedürfnisse z.B. die nach mehr Sichtbarkeit und Kontakt, könnte sie bestimmt auch auf andere Art und Weise befriedigen (indem sie z.B. ein Gespräch mit mir über Gewaltfreie Kommunikation anfängt 😉

Was könnte ihr Mann tun, wenn er sich in gewaltfreier Kommunikation auskennen würde. Er würde ebenfalls zunächst wahrnehmen, dass seine Frau laut durch die Flughafenhalle brüllt und ihn auch noch als Trottel bezeichnet.

Danach würde er auf seine Gefühle achten. Er würde die Wut spüren oder die Scham, am liebsten im Boden zu versinken. Und dahinter würde er sein Bedürfnis nach Respekt und Achtung entdecken. Jetzt geht es für ihn darum, keinen Vorwurf auszusprechen, sondern lediglich zu beschreiben was ist. „Ich bin ärgerlich, weil mir dein Respekt wichtig ist.“

Wenn er noch hinzufügt, dass es ihm unangenehm ist als Trottel bezeichnet zu werden, hat er seine Würde selbst geachtet und seine Frau spürt plötzlich eine Grenze, an der sie sich zurückhalten muss. Wahrscheinlich wird sie schon allein dadurch mehr Respekt vor ihrem Mann haben.

Wer mehr über die gewaltfreie Kommunikation erfahren möchte, kann sich auch jetzt noch zu dem wundervollen Kommunikationskongress meiner Kollegin Renata Vogelsang anmelden. Eigentlich ist der Kongress bereits zu Ende, aber weil es noch ein tolles Gewinnspiel ab dem 24.4. gibt, lohnt es sich absolut, sich noch anzumelden! Mit etwas Glück könnt ihr z.B. meinen Emailkurs gewinnen! Toi Toi Toi!!