Generation Beziehungsunfähig – oder wir sind auf dem richtigen Weg

Generation Beziehungsunfaehig

Gestern auf der Lesung vom Erf0lgsautor des Buches „Generation Beziehungsunfähig“

Michael Nast beschreibt die Beziehungszustände der heute 20 – 30jährigen. Er selbst ist bereits 40 und Single. Seine längste Beziehung dauerte 3 Jahre. Wäre er eine Frau, würde er sich jetzt wahrscheinlich auch noch mit dem Thema Kinder kriegen auf panische Art beschäftigen. Ist er aber nicht.

Er ist einer dieser Männer, die ewig jung geblieben spielen und einfach nur nerven.

Darüber hinaus ist er noch nicht einmal lustig. Leider! Denn das hatte ich nach dem Lesen seines Buches mindestens erwartet. Es ist bereits seine zweite ausverkaufte Lesung in der UdK in Berlin. Statt lustig zu sein, spricht er mit leicht nasaler Stimme, trinkt sein abendliches Bier auf der Bühne und bringt mit unglaublich langweiligen Sätzen, junge Frauen zum hysterischen Kichern. Soweit so normal.

Jeder gute Musiker wird diesen Frust kennen, wenn die schlichten Sänger und Gitarristen, die meisten Fans haben. Mainstream eben. Und auch uns Therapeuten geht es oft so, dass die einfachen Thesen, die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Und trotzdem würde ich Michael Nast ungern die Beschreibung der Beziehungsfähigkeit einer ganzen Generation überlassen.

Deshalb also hier ein paar weiter führende Überlegungen zu seinen Erkenntnissen, die ich durchaus teile, die jedoch an der Oberfläche bleiben und damit dem Beziehungsstatus unserer Gesellschaft ganz und gar nicht gerecht werden. Natürlich ist mir völlig klar, dass das auch nie sein Anliegen war.

  • Erkenntnis Nr. 1 – Generation Beziehungsunfähig

Ich behaupte, dass das nicht stimmt. Die junge Generation ist nicht beziehungsunfähig. Sie ist vielleicht überfordert mit den vielen Wahlmöglichkeiten und der damit verbundenen Herausforderung, die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen. Das jedoch gilt für uns alle.

Wie oft trennen sich Paare nach 20 und mehr Ehejahren mit der Begründung, sie wollen mehr vom Leben haben? Das ist die gleiche Haltung mit der die „Generation Beziehungsunfähig“ erst gar keine Beziehung eingeht. Wir alle haben Angst, unser Leben zu verpassen und denken doch tatsächlich, dass es am Partner oder der Partnerin liegen könnte, wenn wir etwas verpassen. Wir trennen uns oder gehen erst gar keine längere Beziehung mehr ein, weil wir denken, dass der oder die andere verhindert, dass wir unser maximales Potential leben.

Natürlich stimmt das nicht. Ganz im Gegenteil, wir leben einen großen Teil unseres Potentials eben NICHT, wenn wir Beziehungen vermeiden. Unser Leben bleibt oberflächlich und aufgabenbezogen, ohne partnerschaftliche Beziehungen zu einem anderne Menschen. Ich behaupte nicht, dass das einfach ist. Ein erster Schritt, sich dem zu nähern, ist das Buch „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ von Michael Lukas Moeller. Er zitiert dort u.a. Nietzsche mit dem Satz „Beziehung ist ein langes Gespräch“. Durch die von ihm entwickelte Kunst des Zwiegesprächs gibt er uns außerdem ein gut funktionierendes Werkzeug an die Hand, mit dem Paargespräche möglich sind. Und nicht nur das, sie machen sogar Spaß und steigern die Lust aneinander und aufeinander.

Die Liebe ist nicht der Beginn, sondern das Ergebnis einer langjährigen Beziehung.

 

  • Erkenntnis Nr. 2 – Menschenkonsum via Dating App

Diese Erkenntnis klingt ziemlich hart, sie ist aber völlig normal. Dieses Verhalten gibt es, seit es menschliche Beziehungen gibt. Wir kennen diese Menschen auf den Portalen ja nicht, und wir haben zu dem Zeitpunkt auch noch keine Beziehung zu ihnen. Wir sind einfach nur offen für Begegnung. Das ist etwas Gutes und das war schon immer so. Nur die Möglichkeiten haben sich geändert.

Früher musste man das Haus verlassen, um jemanden zu treffen. Es gab die Disko oder den Tanztee. Veranstaltungen wie „Fisch sucht Fahrrad“ dienen seit beinahe 10 Jahren dem gleichen Zweck. Beunruhigend würde es erst, wenn sich niemand mehr auf die Dating Apps stürzen würde! Denn dann würde in unserer Gesellschaft etwas grundsätzlich falsch laufen. Bis jetzt ermöglichen Dating Apps einfach nur die Befriedigung eines ewigen Bedürfnisses: Die Sehnsucht und Suche nach dem anderen Geschlecht. Wie gesagt, die haben wir Menschen schon immer gehabt und alle Möglichkeiten genutzt, die es gab, diese auszuleben.

  • Erkenntnis Nr. 3 – Sehnsucht nach der perfekten Liebe

Es erstaunt schon mit welcher Naivität sich Michael Nast dann seiner eigenen Sehnsucht nach einer Beziehung widmet. Er hofft, dass er schon erkennen wird, wenn die Richtige vor ihm steht. Und dann wird er bereit sein, sich auf diese Beziehung einzulassen.

Nein, das wird er nicht! Schon gar nicht jetzt, wo quasi bei jeder Lesung mehrere hundert junger Frauen vor ihm sitzen, ihn anhimmeln und alle die Richtige sein könnten. Wie soll er da was merken?

Tatsache ist, es gibt sie nicht, die einzig wahre und richtige Partnerin. Es gibt lediglich die Möglichkeit, sich dafür zu entscheiden, eine lanjährige Beziehung zu führen oder nicht. Der aktuelle Partner ist immer der oder die Richtige. Richtig für mich und richtig für eine gemeinsame Beziehung, die dann auch den Namen Beziehung verdient. Eine Beziehung, in der wir uns aufeinander beziehen und für die wir uns einsetzen. Dazu braucht es Freundschaft, Achtung vor dem anderen Geschlecht und jede Menge Mut, sich selbst zu zeigen.

Erst dann wird es spannend und das Geschenk, das in der Beziehung liegt, darf sich zeigen. Jede lebendige Beziehung macht uns glücklich, so einfach ist es.

Die Statistik zeigt aber auch, je länger der Mensch allein ist, desto wunderlicher wird er und desto kürzer dauern seine Beziehungen. Ein frühes Einlassen auf eine Beziehung könnte sich also lohnen! Auch wenn ich der Meinung bin, dass es nie zu spät ist, sich dafür zu entscheiden.

  • Erkenntnis Nr. 4 – Erst die Arbeit, dann die Beziehung

Hier hat Michael Nast tatsächlich Recht. Unsere Arbeit steht in direkter Konkurrenz zur Beziehung. Wenn ich meine ganze Energie und Kreativität in die Arbeit stecke, bleibt nicht mehr viel für die Partnerin oder den Partner übrig. Allerdings ist die Hippiebewegung mit ihrem Modell, die Beziehung über die Arbeit zu stellen, ebenfalls gescheitert. Das Pendel ist in den letzten Jahren wieder komplett in die andere Richtung ausgeschlagen. Das Hippie- und Aussteigertum gilt als gescheitert.

Aber es gibt Hoffnung, denn wie bei jeder gesellschaftlichen Bewegung, erreicht sie irgendwann das Limit. Gerade beginnt das Pendel wieder, sich zurück zu bewegen. Immer mehr Menschen, kündigen ihren Job, um das Leben (und die Liebe) nicht zu verpassen. Im Ergebnis bedeutet das also auch, dass sie wieder frei werden für Begegnung und somit für Beziehung.

Das kann ich aus ureigener Erfahrung sagen. Wer einen Job kündigt, der für ihn oder sie falsch ist, tut etwas für die Beziehung. Und dafür gibt es immer mehr Beispiele. Wir sind also auf dem richtigen Weg.

Beziehungsunfaehig

Diskussionsrunde

Soviel erstmal zu meiner Wahrnehmung der „Generation Beziehungsunfähig“. Gerne stelle ich mich Herrn Nast als Diskussionspartnerin für weitere Ausführungen zur Verfügung, denn selbstverständlich freue ich mich auf eine Erwiderung von ihm. Die Überschrift einer solchen Diskussion könnte lauten Alt gegen Jung – wobei ich noch nicht ganz alt bin (48) und er nicht mehr ganz jung ist (40). Wir sind eigentlich eine Generation 😉 Bleibt also nur die Überschrift Frau gegen Mann.

Wie gesagt, ich bin bereit!